50 Jahre Mercedes C111

50 Jahre Mercedes C111

50 Jahre Mercedes C111

Nein man kann für Geld eben nicht alles kaufen ! Jedenfalls nicht 1970 – und nicht bei der damaligen Daimler Benz AG in Stuttgart Untertürkheim ! Egal ob ein Koffer voller Bargeld – bevorzugt Petro Dollars aus den Tresoren diverser Ölscheichs – oder auch gerne mal ein praktischer Blankoscheck – er war und ist bis heute unverkäuflich. Für einen Mercedes Benz Fan ist es völlig klar, damals wie heute, das Mercedes Sport Coupé C111 ist alleine vom Design und seiner Technik schöner als jeder italienische Sportwagen und ausgefallener als die Modelle aus der Zuffenhausener Nachbarschaft. Nur zur einer Serienfertigung konnten sich die Schwaben, trotz der spektakulären Präsentationen auf diversen IAA‘s nicht durchringen.

Für diese Unerreichbarkeit gibt es, typisch schwäbisch, rationale Gründe. Ursprünglich war der als W101 geplante, später dann als C (Coupé) 111 realisierte Wagen gar kein Entwurf für einen Sportwagen oder gar Nachfolger des legendären 300SL Flügeltürer W198. Dieses Fahrzeug war als rollendes Labor konzipiert worden um Antriebskonzepte und neue Fahrwerkskonstruktionen zu erproben.

50 Jahre Mercedes C111
Das originale Werksfoto (C) Daimler AG zeigt den Mercedes C111-II. Das rollende Versuchslabor läßt sich gut an der Motorhaube unterscheiden. Die Version 1 hatte keine Vertiefungen, die Haube war durchgängig ausgeführt. Rückspiegel waren bei vielen Versuche- Rekordfahrten oft nicht montiert.

Mercedes Benz Insider stellen sich bei der Baumusterbezeichnung C111 zu Recht die Frage, gab es den nicht schon ? Richtig ! Die Mercedes Benz Heckflosse hatte bereits 1959 diese Ziffernfolge erhalten. Die Coupés dieser Baureihe wären also nach korrekter, daimlerrischer Diktion als C111 zu benennen gewesen. Für diesen misslichen Umstand, der einzigartigen doppelten Vergabe einer Baumusternummer, tragen nicht die Mercedes Mannen die Verantwortung, sondern die Firma PeugeotA. Die Franzosen vergeben ja bis heute gerne dreistellige Typenbezeichnungen und so kollidierte der C101 mit dem schon bestehenden Peugeot 101.

Bemerkenswert bei der Konstruktion des C111 war der Einsatz des ESEM (Elasto Statik Element Methode). Eine der ersten Formen von CAD. Ein Verfahren, das auch bei der zeitlich parallel in der Entwicklung befindlichen S Klasse W116 angewandt wurde. Mit Ausnahme der Urversion, wurden die Karosserien in GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff) geplant. In bester Roadstar SL-Manier wurde dieser Werkstoff auf einen Gitterrohrrahmen verklebt. Wie beim Flügeltürer SL (W198) platzierten die Schwaben zwei Tanks an beiden Fahrzeugseiten, was wiederum den Einstieg in angenehmer Weise erschwerte, da ja nun auch wieder die Türscharniere oben am Dach angeschlagen werden mussten. Da die Motoren am Heck vorgesehen waren, konnte die extreme Keilform realisiert werden. Für eine ausreichende Kühlung der verschiedenen Aggregate sorgen riesige Lufteinlässe. Aus den Regalen der LKW Bauer mopsten sich die Stilisten fix noch den großen Stern und bauten ihn an das Kühlergitter. Aus Gründen der Aerodynamik erhielt die Front zwei große Klappscheinwerfer, die erst in einer folgenden Version elektrisch aus – und einfuhren. Diese Bauart ist das perfekte Rezept zur Gestaltung eines rassigen Sportwagen und zur Weckung von Bedürfnissen einer lechzenden Mercedes Fangemeinde.

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Am 26 Oktober 1961 floss eine stattliche Summe von den Konten der Daimler Benz AG in Richtung Neckarsulm (NSU Motorenwerke AG) und an die Wankel GmbH in München. Mit diesem Technologieinvestment sichert sich Daimler die Lizenz für den Bau von Kreiskolbenmotoren mit einer Leistung von über 50 PS.

Mercedes C111 Cockpit.
Blick in das Mercedes C111 Cockpit. Viele Schalter und Hebel sind aus dem damaligen PKW Programm bekannt. Die Zugschalter und der Blinkerhebel aus dem W118, das Lenkrad fand im Wesentlichen der S Klasse W116 Verwendung. Die Mittelkonsole mit dem hochkant eingebauten Becker Radio verdeutlicht die Enge im Interieur.

Fünfzig Jahre später wissen wir, das der Kreiskolbenmotor zwar recht innovativ war, aber technologisch gesehen, dem klassischen Hubkolbenmotor unterlegen war und ist. Da in den sechziger Jahren aber andere motorische Prioritäten im Vordergrund standen, rechneten sich die Stuttgarter gute Chancen aus, den Wankelmotor zur Serienreife zu bringen. Das erste Versuchsfahrzeug (Baumuster W101) war jedoch ein karosserietechnisches Provisorium. Seine Außenhaut war aus Aluminium gedengelt und sah so kurios aus, dass es die damaligen Journalisten für einen getarnten Erlkönig hielten. Schnell prägte sich der Begriff Hobel für dieses Gefährt ein.

Funktionsprinzip Kreiskolbenmotor
Animation Funktionsprinzip Kreiskolbenmotor (C) Y_tambe

Der Entwicklungsgrad des drei Scheiben Rotationsmotors mit 280 PS Leistung1 (ab der Version II Vierscheiben mit 350 PS) war weit voran geschritten, lediglich die Abdichtungsprobleme standen auf den Zetteln der Ingenieure. Daimler typisch war die Interpretation des KKM2. Das nur 150 Kilogramm schwere Aggregat war vor der Hinterachse platziert worden. Drei Kammern zu je 600 ccm und einer Verdichtung von 9,3 zu 1 wurden mittels einer mechanischen Bosch Stempelpumpe mit Kraftstoff versorgt.

Neben den bereits erwähnten Problemen bei der Abdichtung der Kammern eines Kreiskolbenmotors, gab es noch das Problem der Zündung und speziell der Notwendigkeit für den Einsatz von Gleitfunkenkerzen.
Während der gebräuchliche Hubkolbenmotor zwischen seinen Zündvorgängen, jedem Kolben eine kleine Ruhepause gönnt (Viertaktprinzip) zündet der KKM bei jeder Exzenterwellenumdrehung. Diese extrem hohe Zündfolge führt zu einer sehr hohen Wärmebelastung der Zündkerzen. Ein weiteres Problem ist die eigentlich notwendige Platzierung von mindestens zwei Kerzen pro Kammer. Daimler Benz kombinierte jedoch eine verschleißarme Transistorzündung mit den Gleitfunkenkerzen um das Gemisch mit hoher Effizienz zu entflammen.

Wie ernst es die Schwaben mit dem Kreiskolbenmotor nahmen, zeigt die Entwicklung des Vierkammermotors, der in der zweiten Version des C111 eingebaut wurde. Wankelmotoren sind keine Ausgeburt an überschäumenden Drehmomenten. Erst die hohe Drehzahl liefert neben der Leistung auch die Kraft, die dann auch die entsprechende Fahrfreude bereiten kann. Lieferte das Dreikammer Aggregat bei 5000/min 30 mkg (294,3 Newtonmeter), steigerte die Vierkammerausführung diesen Wert auf 40 mkg (392,4 Newtonmeter) und das bei einer um 1000 u/pmin reduzierten Drehzahl von nun 4000 u/pmin ! Hier wirkte die raffinierte, neue Zweistufen Ansaugbrücke, wie Dr. Liebold7 in einem Interview mit dem Magazin Motorvision4 im Jahr 2003 verriet.

 

Trotz aller Bemühungen und dem ausgeprägten Daimler Benz Willen zur Perfektion, stellte sich nicht zuletzt durch den Versuchsträger C111 heraus, dass der Kreiskolbenrotationsmotor keine Zukunft im Hause der Schwaben finden wird. Hoher Verbrauch, Kraft erst bei hohen Drehzahlen und eine eingeschränkte Lebensdauer harmonierten nicht mit der Firmenphilosophie und auch nicht mit dem hohen Anspruch der Mercedes Kundschaft in aller Welt. Kolportiert wird in diesem Zusammenhang die These, dass die Aufwendungen in finanzieller, personeller und zeitlicher Sicht für diese Motorenart, die Entwicklungen bei den klassischen Hubkolbenmotoren derart verzögert hat, dass die Palette der Diesel- und Benzinmotoren um gut eine Generation zurückgefallen sei. Mit Blick auf die Ölbrenner vom OM 621 bis zum OM 603, deren Vorkammerprinzip über 30 Jahre Gültigkeit hatten und in mehreren Fahrzeuggeneration eingebaut waren, kann man diese Gedanken nachvollziehen. Untermauern kann man diese These sehr gut an der Tatsache, dass der W123 zwar ab circa 1980 wesentlich modernere Benzinmotoren erhalten hatte, die Dieselfraktion jedoch noch mit den alten Konstruktionen unterwegs waren, die noch auf den Vierzylinder Ponton Modellen beruhten.

Als 1973 die erste Ölkrise über die automobile Welt herzog, brauchte es ganz neue Konzepte. Der Spritverbrauch einer ganzen Fahrzeugflotte musste nach der Intervention der amerikanischen Regierung drastisch reduziert werden. Eine Limousine vom Format einer S Klasse des Baumusters W116 sollte aber nicht fortan mit einem Vierzylinder befeuert werden. Mercedes zog sein rollendes Labor heran, entfernte die Kreiskolbenmotoren und pflanzte einen guten alten bekannten in den C111. Der Ölmotor 617, mit fünf Zylindern und drei Litern Hubraum leistete im legendären W115, im Volksmund auch Strich Acht genannt, magere 80 PS. Um damit ein reinrassiges Sportcoupe mit Mittelmotor, vom Schlage des C111 adäquat zu befeuern, bedurfte es jedoch einer massiven Zwangsbeatmung.

Mercedes C111-II mit dem OM617 Turbodiesel
Blick auf den Turbodiesel OM617 im Mercedes C111-II. Viele interessante Details sind zu entdecken: Der Ventildeckel hat den Öleinfüllstutzen an der eigentlichen Rückseite. Am unteren Bildrand sind die Kühler der Ladeluftkühlung zu erkennen. Daimlertypische Perfektion im Versuchsfahrzeug an statt einem Provisorium.

Mit tatkräftiger Unterstützung eines Herrn John Clifford Garrett, seines Zeichens Gründer der Garrett Engine Boosting5 Systems aus dem Städtchen Torrance – Kalifornien, wurde dem braven Taxidiesel, mittels Turboaufladung Leistung eingehaucht. Nach Lage der technischen Daten (Quelle Heribert Hofner Mercedes Benz Automobile 1) ging es nicht um die maximale Lebensdauer, oder um einen extrem niedrigen Verbrauch. Es ging wohl einzig und allein um Leistung mit dem Attribut „satt“ ! Immerhin lieferte der Oiler 230 PS dank 2,1 bar Ladedruck. Ein Ladeluftkühler reduzierte die Ansauglufttemperatur von 180° auf 80° Celsius. Dank eines Karosserie Cw Wertes von nur 0,183 erreichte das Labor auf Rädern neun absolute Weltrekorde. Auf dem süditalienischen Rennkurs von Nardo6 wurde eine Spitzengeschwindigkeit von sage und schreibe 327,3 km/h erreicht. Bei diesen Rekordfahrten wurde ein Durschnittsverbrauch von 16 Liter Dieselöl auf 100 Kilometern Fahrstrecke protokolliert. In Hinblick auf die elektronikfreie, rein mechanische Vorkammereinspritzung ist das für diese Geschwindigkeitsdimension als geradezu sensationell zu bezeichnen.

Mercedes C111-I Cocpit

Mercedes C111-I Cocpit Mercedes C111-I Cockpit. In der ersten Ausführung wirkte das Cockpit mehr als Versuchsfahrzeug als bei den zweiten Versionen. Auffallend das Dreispeichenlenkrad, keine Radio, dafür viele analoge Messinstrumente

Doch die Krönung für die Baureihe C111 war nicht der Kreiskolbenmotor und auch nicht der Turbodiesel OM617. Die Krönung der Antriebsleistung vollbrachte ein anderer, wohl bekannter Motor aus der damaligen Serienproduktion. In meiner Phantasie als Autor stelle ich mir Herrn Dr Liebold7 vor, wie er ein Rolltor einer Lagerhalle öffnet um anschließend mit prüfenden Blicken durch die Regale der verfügbaren Mercedes Motoren zu Schlendern. Seine Idee, einen Ottomotor mit einem Abgasturbolader zu bestücken, hätte er durchaus mit dem 2,8 Doppelnocker M110 realisieren können. Doch da war ja auch noch die M116 V8 Maschine, mit 4,5 Litern Hubraum. Aufgebohrt auf 4,8 Liter und bestückt mit mit zwei KKK-Turboladern (einer je Zylinderbank), standen 500 PS bei 6200 U/min zur Verfügung.
Mit dieser Antriebskonfiguration begab sich Dr Liebold am 5 Mai 1979 auf die erneute Rekordfahrt. Auf der Hochgeschwindigkeits-Strecke von Nardo wurden 407,978 Km/h gemessen. Damit verdrängte Mercedes die bisherigen Rekordhalter aus Zuffenhausen vom Thron. Der Porsche 917/308 mit Mark Donohue am Steuer hielt bis dato die Trophäe mit einer Geschwindigkeit von 355,854 Km/h. Leistete der Porsche mit 1000 PS doch doppelt soviel viel der C111-IV. Mercedes hatte mit der letzten Version des C111 bewiesen, dass eine ausgefeilte Aerodynamik – zwei Flugzeugähnliche Leitwerksflossen am Heck des C111-IV) – der puren Motorenkraft überlegen sein kann.

Mercedes Benz M117 450 SE W116
Mercedes Benz M117 450 SE W116

Mercedes M116 V8 hier in der S Klasse Baumuster W116 wurde auch im C111 eingebaut. Dort aber aufgebort auf 4,8 Liter und mit zwei KKK Ladern Zwangbeatmet

Fazit

Auch wenn man im Hause Daimler Benz wahrscheinlich mit einer Serienfertigung geliebäugelt hat, gibt es einige gute Gründe die dagegen sprachen. Die Kunststoffkarosserie konnte nie dem Sicherheitsanspruch des Hauses gerecht werden, da Kunststoff sich nicht wie Blech verknautschen lässt. Es würde einfach bei einem Unfall zersplittern. Das Versuchslabor C111 hat wohl bewiesen, das der Kreiskolbenmotor keine Zukunft haben würde.
Die vier Modelle des Mercedes C111, die sowohl dem technischen Fortschritt, als auch dem Image der damaligen Daimler Benz AG, diente, sind lebende Legenden. Hätte ich einen Wunsch bei der heutigen Daimler AG frei und müsste mich für eine Probefahrt, zwischen dem Mercedes 600 (W100) und dem C111-III Turbodiesel) entscheiden, würde ich den einen Wunsch äußern, der da lautet: „Ich wünsche mir eine Probefahrt für beide…

Fgst. Nr Typ Verbleib
21 Behelfskarosserie/ Hobel verschrottet
22 Version I verschrottet am 8. Mai 1972
23 Version I Leihgabe an das Automuseum Langenburg
24 Version I Totalschaden am 29. Januar 1970 in Hockenheim
24a Version-I-Fahrgestell mit Version-II-Karosserie keine Angabe
25 Version I Ausstellungsfahrzeug, verschrottet am 17. Januar 1974
26 Version I Mercedes-Benz-Museum
31 Version II Mercedes-Benz-Museum
32 Version II Mercedes-Benz-Museum
33 Version II Mercedes-Benz-Museum
34 Version II Mercedes-Benz-Museum
35 Version II Mercedes-Benz-Museum
36 Version II Mercedes-Benz-Museum

Diese Tabelle3 zeigt den Verbleib der 36 je gebauten Fahrzeuge inkl. Dem Ursprünglichen Provisorium (Hobel)

Diese Tabelle3 zeigt den Verbleib der 36 je gebauten Fahrzeuge inkl. Dem Ursprünglichen Provisorium (Hobel)

 

Quellen/Indexverweise (Links dieser Indizies können Werbung enthalten)

1)Technische Angabe stammt aus dem Werk Mercedes Benz Automobile Band 5 von Heribert Hofner
2 )KKM = Kreiskolbenmotoren
3) Quelle Wikipedia unter Comon Lizenz
4) Video Motorvision https://www.youtube.com/watch?v=t3jIIS3FFAQ
5) Garrett Engine Boosting Systems (https://de.wikipedia.org/wiki/Garrett_AiResearch)
6 )Nardo Rundkurs https://en.wikipedia.org/wiki/Nard%C3%B2_Ring
7) Dr Hans Liebold +3-10-2009 (https://ticker.mercedes-benz-passion.com/dr-hans-liebold-verstorben/) war der Projektleiter C111. Er fuhr auch die Geschgwindigkeitsrekorde in Nardo eon
8) Porsche 917/30 Kraftwerk ohne Gleichen (https://www.auto-motor-und-sport.de/oldtimer/porsche-917-motor-kraftwerk-ohne-gleichen/)
A Peugeot ist ein eingeragenes Warenzeichen der PSA Group

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