Der Mercedes Benz W123
die Innovationssprünge in den 1970iger Jahren waren nicht zu vergleichen mit den Zyklen der heutigen Zeit. Bewährtes wurde noch bewahrt. Das Bewährte in den Fahrzeugen der Baureihe W123 ist die Technik seines Vorgängers. Jedenfalls, wenn man die Phase I der Baureihe betrachtet. Die bei Mercedes Benz Oelmotoren genannten Dieseltriebwerke waren – sieht man von Detailänderungen einmal ab – über den gesamten Lebenszyklus der Modellreihe verbaut.
Sehr innovativ und zukunftsweisend war der erste Turbodiesel in einem, in Europa verkauften PKW von Mercedes Benz. Dessen Grundmotor OM617 wurde durch einen Abgasturbolader der US Firma Garrett zwangsbeatmet und blies so dem lahmen, russenden Dieselfahrzeug Leben ein. Seit dem ist der Begriff Drehmoment auch bei Dieselfahrern bekannt geworden. Aufgegeben wurde mit diesen Turbodieseln die Einfachheit des Diesels an sich, denn zur Regelung des Ladedrucks und der Einspritzung mussten die Techniker sehr tief in die Trickkiste greifen. Stichworte sind hier Kolbenspritzkühlung,Einspritzpumpe mit selbstregelndem Leerlauf und einem Überlastungsschutz für Motor und Getriebe. Immerhin musste das Drehmoment von 250 NM verkraftet werden. Das berüchtigte Turboloch umging man, indem das Auto im ersten Gang des Automatikgetriebes anfahren durfte. Eine Ehre, die bald auch dem etwas antrittsschwachen 280 E zuteil wurde.
Bei den Benzinmotoren läutete Mercedes Benz in der Phase II der Baureihe W123 einen Generationswechsel ein. Die alten Graugussmaschinen des Baumusters M115 gingen noch auf Konstruktionen aus den 1950iger Jahren zurück. Sie waren im Prinzip langlebig und robust, aber auch recht trinkfreudig. Die Ablösung erfolgte 1980 mit einer völligen Neukonstruktion. Die Motoren M102 und M103 besaßen einen Zylinderkopf aus Aluminium und wiesen eine spezielle Ventilsteuerung auf. Ein – und Auslassventil saßen nun gegenüber und ermöglichten so einen besseren Austausch von Frisch – und Abgas (cross flow). Gesteuert von nur einer Nockenwelle. Einfach war auch nur die Steuerkette ausgeführt, ein Novum bei Daimler Benz. Stand man dem Zahnriemen immer sehr skeptisch gegenüber, so war diese Einfachkette ein Versuch Langlebigkeit und Sicherheit zu erhalten, aber Gewicht und Reibungsverluste einzusparen. Das die Ingenieure nicht wirklich glücklich mit dieser Lösung waren, zeigt die Tatsache, dass der M102/M103 im Nachfolgemodel W124 wieder die gewohnte Duplexkette erhielt. Erst bei der übernächsten Generation von Vierzylinder Benzinmotoren – beim M271 – wagte man wieder die Einzelkette. Also ein bisschen rin inne Kartoffel und raus ausse Kartoffel…
Der Buchtip zum Mercedes Benz W 123
Die Beatmung des M102 mit seinen knapp 2 Litern Hubraum, erfolgte über einen alten Bekannten. Der Stromberg Gleichdruckvergaser ernährte die Vier Zylinder und war für einen Verbrauch von ca. 11 Litern auf 100 Km mit verantwortlich. Der hubraumgleiche Vorgänger gab sich – bei zurückhaltender Fahrweise – eher nicht unter 13 Litern zufrieden. In allen Belangen besser machten es die Einspritzmotoren des M103. Aus 2,3 Litern Hubraum wurden 136 PS generiert. Deutlich höher viel das Drehmoment mit 205 Nm bei 3500 Upm aus. Die aus dem Hause Robert Bosch stammende Einspritzanlage der Type K – Jetronic war im Hause Daimler Benz bereits seit 1976 bekannt. Sie löste die D Jetronic ab, deren Prinzip heutigen Systemen eigentlich näher standen. Doch die damals auftretenden Probleme der ersten Rechner, wollte man mit einem neuen, rein mechanischen System umgehen. Bis zur Einführung der Katalysatortechnik war die K Jetronic das Mass der Dinge bei Daimler Benz, wenn es um effiziente und gut dosierbare Gemischaufbereitung ging. Das diese Anlagen frei von Elektronik waren wurde in zeitgenössischen Publikationen immer wieder hervorgehoben. Der Zeitgeist der Mercedesfahrer anno 1980 war eher elektronikfeindlich gesinnt. Wer aber von einem 230 E ein Verbrauchswunder erwartete, der wurde etwas enttäuscht. Es war kein großes Problem 14 Liter für 100 Km durch die Kontinuierlich versorgten Einspritzdüsen zu befördern. Erst die vorausschauende Fahrweise, ein gezügelter Gasfuß und günstige Verkehrsverhältnisse, drückten den Wert auf 10 Liter Super, verbleit. Hier spürte man, das der W123 kein strömungstechnisches Wunder wie der Nachfolger W124 war. Dort konnte die gleiche Maschine mit Verbräuchen unter 10 Litern glänzen. Allerdings wurde dort aus der K die KE-Jetronic. Mehr dazu im Artikel zum W124.
Mit der Vorstellung des Mercedes Benz W123 wurde doch ein neuer Benzinmotor eingeführt. Diese Maschine erhielt den Motorencode M123. Ein feiner Sechszylinder, der seine Abstammung aber nicht verhehlen konnte. Klassischer Grauguß, Ventile in Reih und Glied angeordnet, musste der Betrachter sich zwangsläufig fragen: Was bitte schön ist jetzt wirklich neu ? Sowohl der Hubraum von 2,5 Litern, als auch die Beatmung durch einen Vergaser waren nicht wirklich neu. Wer sich nun eine deutliche Kraftstoffeinsparung erhofft hatte, der wurde mit dem M123 derb enttäuscht. Der Doppelregistervergaser der Firma Zenith, schlürft im Stadtverkehr gerne auch mal 15-17 Liter Super aus dem Tank. Die anfänglichen 129 PS auf dem geduldigen Papier ließen keine große Begeisterung aufkommen, lediglich das Drehmoment von 196 Nm ließ die sanfte Kraftentfaltung erahnen. Zumal diese schon bei 3500 Upm bereitstanden. Mit dem Erscheinen des 230 E in Gestalt des M103 sah man sich in Untertürkheim dazu gezwungen die Leistung auf 140 PS anzuheben und das Drehmoment um weltbewegende 3 Nm zu erhöhen. Kein Wunder also das der W123 mit dem M123 kein Verkaufsschlager war. Dennoch blieb dieses Modell über die gesamte Bauzeit im Programm.
Fortsetzung folgt …
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