Der Mercedes Young-& Oldtimer Blog

Mercedes-Benz 300 TD Turbo S123 Kombi

Mercedes 300 TD Turbodiesel S123 Kombi

Robert A.Baker Jr.1 dürfen wir uns als einen rechtschaffenen, fleißigen amerikanischen Ölarbeiter vorstellen, der die Chance seines Lebens ergreift, als seine Oel-company ihn zu Montagearbeiten nach Dubai schickt. So fern der amerikanischen Heimat winken Dreck, Arbeit und jede Menge Dollars. Das hart erarbeitete Geld steckt er in nichts Geringeres, als einen Station Wagon made in Sebaldsbrück – Germany !

Was man viele Jahre später als „the best or nothing“ bezeichnete, wurde in den 80iger Jahren mit den Worten „Welcome at home“ tituliert. Im Jahre 1981 muss Robert A.Baker Jr. in der 20th Street, Intersection in Dubai-Sharjah-Road vorgesprochen haben. Dort unterhält der deutsche Automobilhersteller eine Niederlassung. Auf dem Auftragsformular werden alle Kreuzchen gesetzt, die aus einem Fensterkurbelgrundausstatter, ein richtiges US car machen. Salopp sprechen es die Mercedes Fan‘s heute als „volle Hütte“ aus. Ohne ein Automatikgetriebe, ohne eine Klimaautomatik, ohne Schiebedach und überhaupt mit „Ohne“ bestellt man in Amerika kein Automobil.

Mercedes S123 300 TDT Turbodiesel mit Klimaautomatik und Becker Grandprix Radio.
Mercedes S123 300 TDT Turbodiesel mit Klimaautomatik und Becker Grandprix Radio.

So bauen die Bremer Mercedes Mannen, ein typisches US T Modell, ausgerüstet für die kalifornische Heimat – geliefert aber an den Arabischen Golf. Weil in den USA Taxi‘s traditionell in gelber Farbe lackiert sind, ist die Farbe 623 Hellelfenbein, jenseits des Atlantik sehr beliebt. In Deutschland identifizieren wir mit diesem Farbton generell Taxen – wenn die auch meistens einen Stern tragen.

Mercedes S123 300 TDT Turbodiesel mit den typischen US Scheinwerfen
Mercedes S123 300 TDT Turbodiesel mit den typischen US Scheinwerfen

Viel zu tun hatte der 300TD Turbodiesel nicht in Dubai. Irgendwann wurde das gute Stück Wertarbeit, aus good old Germany, per Schiffscontainer über den Atlantik in die amerikanische Heimat verschickt. Hier muss unser Erstbesitzer eine klimatisierte Garage besessen haben, anders ist der gute Zustand des Interieurs nicht zu erklären. Das die Armaturenbretter in der heißen Sonne Kaliforniens gerne reißen, dass das Leder böse, tiefe Risse bekommen kann, all dieses Ungemach blieb dem Mercedes T erspart.

Viele Jahre später macht der S123 seinem „T“ im Namen alle Ehre, denn es geht wieder auf den Transportweg über den großen Teich. Diesmal ist der Zielhafen Rotterdam. Ein niederländischer Mercedes Benz Liebhaber, importiert den Mercedes zurück nach Europa und läßt dem Fahrzeug eine erste Überholung des Lackes angedeihen. Über einen deutschen Käufer in Berlin gelangt der Kombi schließlich in die Hände von Bodo van Juechems, einem Händler von klassischen Automobilen in der Westfalenmetropole Münster. Als ich im Februar 2019 auf das Fahrzeug aufmerksam wurde und wie üblich in Kalt-Aquise seine Geschäftsräume zum ersten Mal betrat, war mir schnell klar, dass dieser Klassikhändler offenbar lieber alle seine Einkäufe für sich selbst behalten möchte, als sie feil zu bieten. 

Mercedes S123 300 TD Turbo US Ausführung
Mercedes S123 300 TD Turbo US Ausführung

Ein automobiles Requilikt reiht sich an das Andere. Darunter habe ich auf die Schnelle sieben Mercedes Young – und Oldtimer gezählt. Der Ponton Universal Kombi aus Kalifornien ? Unverkäuflich – jedenfalls im Moment. Der W115 230er ? Unverkäuflich – jedenfalls im Moment. Das 80iger Jahre Hymer Wohnmobil ? Dito ! Und der Protagonist 300 TD Turbodiesel, im Prinzip ja, wenn auch das „Aber“ irgendwie nachklang. 

Mercedes Tempomat im S123 TD Turbodiesel
Mercedes Tempomat im S123 TD Turbodiesel

Schnell saß man bei einem Kaffee, vertieft in Benzingespräche, die durch den leichten Duft von Kraftstoffen, der umstehenden automobilen Schätze, untermalt wurde. So wie eine modere S Klasse verschiedenen Duftnoten an die Nasen der Fahrgäste übermitteln kann, so vermittelt der Verkaufsraum von Bodo van Juechems, den typische Duft von klassischen Automobilen.

Oelmotor mit Zwangsbeatmung

Zu meiner bereits erwähnten Zeit als Taxichauffeur, quälte ich einen Mercedes OM 615 mit sagenumwobenen 60 PS durch den Großstadtverkehr. Zunehmend tauchten bei den Kollegen, Volkswagen vom Typ Passat Variant auf, deren direkteinspritzenden Dieselmotoren, durch einen Turbolader zwangsbeatmet wurden. So etwas konnte man auch mir Stern beim freundlichen Mercedes Benz Vertreter ordern. Allerdings lag die Messlatte des Kaufpreis in etwa da, wo eine S Klasse vom Typ W116 die Preisliste der Luxusklasse eröffnete. Sollte der als OM 617 LA bezeichnete Dieselmotor seine Kraft in den Wandler eines Automatikgetriebes einspeisen und zum Wohlbefinden seiner 

Mercedes OM 617 LA
Mercedes OM 617 LA

Passagiere auch noch nebenbei den Klimakompressor bei Laune halten, dann hätte es auch schon ein 280 SE mit elektrischen Fensterhebern werden können. In Wolfsburg durften sich die Taxichauffeure dafür glatt mehr als zwei Passat TDI‘s abholen. Zweifelsohne sind die alten  Mercedes Dieselmotoren sehr langlebige und robuste Maschinen. Der Käufer der Turboversion sollte jedoch wissen, dass Mercedes Benz seinerzeit einen erheblichen Aufwand betrieben hatte, um den Garrett Lader zu Regeln. Hier kommt das Unterdrucksystem zum Einsatz, welches auch die Automatikgetriebe beeinflussen. Ein OM617 LA entwickelt 125 PS, die aber nicht mit neuzeitlichen Konstruktionen, in Sachen Fahrleistung zu vergleichen sind. Heute ist der Turbodiesel so normal wie das Smartphone im Schultornister. Wer ein solches Automobil sein Eigen nennen möchte, der weis ganz genau, mit welchem seltenen Stück Technik er da liebäugelt. Der S123 TDT schwimmt gut im Verkehr mit. Er ist definitiv keine Wanderdüne wie sein Konzernbruder der OM615 im 200D. Er ist alles andere als ein lahmer Öler. Jedoch wäre der Vergleich zur heutigen CDI Technik, der Vergleich von Dampfross mit einem ICE der Deutschen Bahn. Einen Turbodiesel im 123er Mercedes gab es in Europa nur im Kombi, während die Nordamerikaner auch in den Genuss dieser Maschinen in der Limousine und im Coupe kamen. Diese Motorisierung hat in Europa Turbodiesel-Geschichte geschrieben. Das H auf dem Nummernschild, das der S123 tragen wird, ist aus aus technisch historischer Sicht mehr als berechtigt. Es erklärt aber auch die deutlichen höheren Preise…


Substanz

Bekanntlich sagt man ja, Hubraum sei nur durch Hubraum zu ersetzen. Im Bereich der Young- und Oldtimer muss man es anders formulieren. Gute Substanz ist nur durch gute Substanz zu ersetzen. Und genau hier punktet der Mercedes 300 TD Turbodiesel vom Typ S123. Wie unsere Fotos es schon andeuten, die typischen Rostschwächen der Baureihe zeigen sich an diesem Exemplar nicht. Wagenheberaufnahmen, Spritzwand, Radläufe, Unterboden – egal wo man die Schwäche sucht, hier wird man nicht fündig. 

Mercedes S123 300TD Turbo Wagenheberaufnahme
Mercedes S123 300TD Turbo Wagenheberaufnahme

Das Interieurs besticht durch gutes Leder, ein rissfreies Armaturenbrett und ein sehr gut erhaltenes Zebrano Holz. Die Laufleistung von 190.000 Meilen gelten nicht nur in Amerika als low miles. Aus meiner Zeit als W123 Taxifahrer Ende der 80iger Jahre, wäre das nahezu ein Jahreswagen-Tachostand. Und aus meiner eigenen Mercedes Youngtimer Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass ein Fahrzeug in diesem Zustand, plausibel für seine Laufleistung spricht.

Und der Preis ?

Ich denke mit Bodo van Juechems kann man in einem vernünftigen Rahmen über den Preis sprechen. Die gute Substanz, die guten Fahreigenschaften und der gute Gesamtzustand sind in Anbetracht der Marktlage aber eher für deutliche Abschläge ungeeignete Argumente…

1 Robert A. Jr. Baker der Name wurde aus redaktionellen Gründen geändert. Bekannt war nur das der Erstbesitzer für eine US Firma als Monteur in Dubai gearbeitet hat.


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