Provokation gegen alle Oldtimer Liebhaber und Sammler
Spiegel Online Artikel:
Alter, sind die billig von Christian Wüst
Hallo Herr Wüst,
sind Sie bereit für eine Gegenprovokation ? Nein ? Dann sollten Sie jetzt eine andere Webseite laden. Lassen Sie sich von tausenden Themen inspirieren, mit denen Sie dann Sportflieger, Kreuzfahrpassagiere oder auch mal Briefmarkensammler auf die Barrikaden bringen können.
Lesen Sie hier immer noch weiter ? Tapfer !
Neununddreißig Euro Cent habe ich für Ihren Artikel „Alter, sind die billig“ ausgegeben. Ich denke ich werde einige Wochen und tausende von Lesern benötigen, bis das diese Gegenprovokation die Kosten für das überschaubare Lesevergnügen, wieder eingespielt haben. Wenigstens kann ich eine Zählmarke von VG Wort auf dem Sterne-Blog einbinden um meine finanziellen Verluste in Grenzen zu halten. Habe ich Sie immer noch nicht gelangweilt ? Lesen Sie hier immer noch ?
Ok wenn dem so ist, dann lass ich jetzt mal die erste Stufe der Eskalation vom Stapel: „Sie haben keinen blassen Schimmer !“ Wenn Sie soviel von der Oltimerrei verstehen, wie Sie es in Ihrem Artikel zum Ausdruck bringen, dann bin ich froh, dass Sie nicht einer Berufsgruppe der Gastronomie angehören. Dort würden Sie vermutlich alle Zutaten aus dem Regal für Fertigsosen, kombiniert mit der unvergleichlichen Flüssigsalz – Würze in den mikrowellentauglichen Topf hauen, alles bei 500 °Cel zu Kohlenstaub verkochen und als neues, hippes Trendmenü anbieten.
Gegen die braune Pest empfehlen wir Fertan
Wenn Sie jetzt noch nicht aus dem Text ausgestiegen sind, dann fürchte ich, Sie werden unverdrossen bis zum Ende weiter lesen !
Als zweite Stufe der Gegenprovokation zücken wir mal eine 24er Nuss aus dem Knarrenkasten und geben der Mutter das Drehmoment, das Sie inhaltlich leider nicht drauf hatten ! Zitat aus Ihrem Artikel:
„Der „Bergdoktor“ Martin Gruber zählt zu den nachhaltigsten Bildschirmpräsenzen der Republik. Seit neun Jahren strahlt das ZDF unverdrossen neue Folgen aus. Hauptdarsteller Hans Sigl hält sich in der alpinen Arztschnulze als ebenso robuster Sympathieträger wie sein tanngrüner Dienstwagen: ein Mercedes der Baureihe W123.“
Aha der Bergdoktor ! Der absolute Beweis für das primitive Subproletariat, dessen Restwürde es nicht erlaubt noch schlimmere Inhalte aus dem privaten Fernseh-Gammel zu schauen. Dieser Unterklasse wird nun der Mercedes W123 im spießigen Tannengrün, als Dienstfahrzeug für die alpine Arztschnulze, vorgeschrieben. Vermutlich wäre in Ihren Augen nur ein elektrischer Wagen a la Nissan Leaf oder besser eines Renault Twizzy, denkbarer Untersatz für den Hauptdarsteller Hans Sigl.
Mit dem Mercedes Benz W123 treten Sie so gewaltig in das Fettnäpfchen, dass Ihre PC Tastatur darin stecken bleiben sollte, beim Versuch auch nur einen weiteren Buchstaben zu schreiben ! Wenn ein Automobil ein wirkliches Kulturgut ist, dann ganz sicher der Mercedes Benz aus dieser Baureihe. Mit diesem Modell endete genau die Chromeära, dessen Fehlen Sie später in Ihrem Artikel, lauthals Kritisieren. Ja was denn nun ?
Zitat Nummer 2:
„Hinzu kommt ein Problem, das sich nicht nur bei Autos stellt: Wie soll in Würde alt werden, was nie in Würde jung war? Als die Modelle gebaut wurden, die heute zur Oldtimersegnung anstehen, hatte das Kraftfahrzeug seinen Wandel vom Faszinosum zum selbstverständlichen Transportmittel längst vollzogen. Chromblitzende, individuelle Autogesichter waren einem aerodynamisch optimierten Einheitsdesign gewichen.“
Sofern Sie am Mercedes Benz W123 keinen Chrome erkennen, der gerade an diesem Modell noch reichlich vorhanden war, dann sollten Sie ein ernstes Wort mit Ihrem Augenoptiker wechseln. Möglicherweise liegt es an Ihrer Horn – Retrobrille, die auch das individuelle Autogesicht, nicht recht erkennen will.
Glücklicherweise ersparen Sie uns jegliche Äußerung zur Technik dieser Mercedes Baureihe. Denn hier steckt unter der Motorhaube reinste Mechanik, die ihre Gene zu den ersten Oelmotoren aus der Vorkriegszeit nicht verbergen kann. Vorkammer-Dieselmotoren ohne Aufladung, mit einer völlig elektonikfreien Einspritzung galten beim Daimler bis in die 90iger Jahre des vergangenen Jahrhundert, als Garant für Langlebigkeit, Sparsamkeit und jene legendäre Zuverlässigkeit, für die ich Ihr Wort Faszinosum verwenden würde.
In meinem Kopfkino sehe ich Sie in einem Mercedes 200 D aus dem Baujahr 1977, verzweifelt am Zündschlüssel drehen, ohne das der Anlasser auch nur einen Muck von sich gibt. Von dem kombinierten, Vorglüh – Anlasszugschalter, in den auch das von Hand zu regelnde Standgas einzustellen war, haben Sie vermutlich noch nie was gehört. Aber in über 1400 Wörtern wettern Sie dafür vom selbstverständlichen Transportmittel und aerodynamisch optimierten Einheitsdesign. Bravo !
Stufe III der Gegenprovokation
kommen wir zu Ihren Themen der Oldtimer Privilegien, wonach der Eigner von einem Steuersatz von nur 192,00 € profitieren würde. Ein Mercedes W123 vom Typ 230 E mit einem Wurmkat, in Kombination mit einem Warmlaufregler, kostet ohne das Hohn Kennzeichen weniger Kfz Steuer als mit dem H auf der Blechtafel. Als Benziner ist dieses Auto sauberer als die Lügendiesel der Gegenwart. Herr Wüst ! Es sind diese Massenfahrzeuge der Gegenwart, mit optimierter Software, die durch jede Umweltzone kariolen, nicht die wenigen Old – und Youngtimer, die schon aus versicherungstechnischen Gründen in ihrer jährlichen Fahrleistung beschränkt werden.
Dann bringen Sie zum Ausdruck, die Fahrzeuge seien für die Ewigkeit gebaut und derart Rostresistent, dass der Gammel nie aus dem Straßenbild verschwindet. Meine These von Ihrer nicht vorhandenen Ahnung wird hier durch Sie selbst krass belegt. Der W123 war nicht verzinkt, er war zwar gut gegen die braune Pest geschützt aber nach 30 bis 40 Jahren Einsatzzeit, sind ungeschweißte Exemplare seltener, als die all zu oft bemühte blaue Mauritius.
Zu flach und zu leer ist die Denkweise, ein Oldtimer Fahrzeug sei eine billige, schmutzige Alternative zu einem nichtprivilegierten Neufahrzeug. Der Aufwand für den Erhalt ist enorm. Ersatzteile werden immer teurer wenn sie denn überhaupt noch lieferbar sind. Gerade die Elektronikkomponenten der 90iger Jahre machen den meisten Youngtimerfan derbe Probleme.
Sie nennen die Oldtimerrei inflationär. Ist etwas nur deshalb nicht mehr förderungswürdig, weil viele Menschen den gleichen Interessen frönen ? Sind viele Oldtimer nur deshalb kein Kulturgut, weil Kultur nur in Raritäten steckt ? Wir müssen eher davon ausgehen, dass der Boom vorüber geht, da es in unseren Kreisen allmählich an Nachwuchs mangelt und der Stellenwert des Automobils sehr rückläufig ist.
Herr Wüst, ich hoffe ich habe Sie ausreichend provozieren können um Ihnen eine Gegenprovokation abzuringen. Sie konnten diesen Artikel völlig kostenlos auf dem Sterne-Blog lesen. Auf eine Rückerstattung der 0,39 € zu bestehen, wäre einfach unwürdig.
Gruß H.Steinacker
sterne-blog