Mercedes 123 Coupe ist nicht die vollständige Bezeichnung für den eleganten Zweitürer aus der goldenen Zeit der Mercedes Klassiker. Es fehlt der Buchstabe C. Klar steht es für die Coupe Variante der erfolgreichen W123 Baureihe, aber es steht auch für das hohe C in der Tonleiter der Automobile, die zu ihrer Zeit jenes Understement widerspiegelten, das heutigen Fahrzeugen abhanden gekommen ist. Was von der einstigen Eleganz, Schlichtheit und Zurückhaltung der Mercedes Coupes nach fast vierzig Jahren geblieben ist, klären wir an einem C Modell, dessen Buchstabe auch für Chaos-Rost stehen könnte !
Der Protagonist aus dem Jahr 1979 zeigte sich äußerlich nicht nur in einem verrostetem Zustand, auch die lange Standzeit auf dem Platz eines Händlers, hatte dem ursprünglich weißen Lack überall einen Grünton aus Moos und Algen beschert. Das Eine kann der Hochdruckreiniger beseitigen, das Andere mit dem Namen Rost aber macht dieses Coupe eigentlich wertlos für eine vernünftige, dauerhafte Restauration. An diesem Coupe zeigt sich auch die noch nicht so perfekte Rostvorsorge an den Erstserien Fahrzeugen der Baureihe W 123. Und dennoch haben heute diese frühen Baujahre ihren ganz eigenem Reiz auch bei den Zweitürern. Sie durften ihre Welt schon aus den eckigen Breitbandscheinwerfern ausleuchten, ihr Armaturenbrett aus der Erstserie, war auch mit den kleinen Benzinmotoren , mit dem Echtholz Zebrano vertäfelt und die Einlagen der Türverkleidungen waren in Stoff gefertigt. Der Antrieb jedoch wurde aus den Vorgängermodellen entnommen. Erstmals fertigte Mercedes Benz ein Coupe der Mittelklasse mit weniger als Sechs Zylindern. Und so fand der M115 genannte Grauguss Motor, mit seinen, aus heutiger Sicht eher bescheidenen, 109 PS, Einzug unter die Motorhaube. Dieser Motor hatte zuvor in den Mercedes Modellen W115, im Jahre 1973, sein Debüt gefeiert. Eine Feier war es ganz zu Recht, denn die eher kleine Ausbeutung an Leistung war nicht wirklich wahrnehmbar. Der gute alte Spruch Hubraum sei durch nichts zu ersetzen als durch Hubraum darf auch für die Vierzylinder herangezogen werden. Ich durfte von 1986 bis 1990 eine 230er W123 Limousine für gut 100.000 Kilometer fahren und war immer angetan von der Durchzugskraft die von unten heraus, gleichförmig und kraftvoll zu erfahren war.
Leider war unser Testobjekt in einem derart schlechten Zustand, dass eine Probefahrt ausgeschlossen war. Neben dem üblichen Verschleiß an Zündkabeln, Kerzen und Kerzensteckern, Verteiler, samt Finger und Läufer, fällt der Strombergvergaser Vergaser oft mit einer ausgeschlagenen Drosselklappenwelle auf. Springt ein M115 gut und willig an und regelt einen Leerlauf ein, zeigt sich dieses Problem durch eine schwankende Leerlaufdrehzahl. Allgemein muss man feststellen, dass es heute gar nicht mehr so einfach ist, Fachleute zu finden, die einen Vergaser vernünftig einstellen können. Ist der Stromberg Gleichdruckvergaser hier noch relativ harmlos, wird das bei den Doppleregister- Versionen von Zenith schon so kompliziert, dass dann guter Rat auch gleich sehr teurer Rat wird. Dieses Gaswerk wurde in das Mercedes 123 Coupe vom Typ 280C eingebaut. Hier ist eigentlich immer der Einspritzer mit der K-Jetronic vorzuziehen. Weniger Verbrauch, mehr Leistung und eine sehr robuste, da rein mechanische Einspritzung. Auch der gusseiserne Sechszylinder M110 Motor bringt es auf recht hohe Laufleistungen. Jedoch muss man bedenken, dass diese Doppelnockenwellen-Konstruktion im Falle einer Überarbeitung aufwendiger ist, als die Vierzylinder Varianten. Die Leistung von bis zu 185 PS täuschen ein wenig, denn dieser Sechszylinder ist nach echten Sportwagenansprüchen konstruiert und verlangt nach viel Drehzahl. Den Klang eines Sechszylinders kann der Vierender zwar nicht bieten, aber dennoch sind sie eigentlich die bessere Empfehlung. Wenn ich auf den diversen Treffen der Mercedes Youngtimer Szene die laufenden Motoren direkt vergleichen kann, dann stelle ich immer wieder fest, dass auch ein M116 V8 dem W123 Coupe gut gestanden hätte.
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Ab Ende 1979 kamen die ersten M102 Vierzylinder Triebwerke in das Mercedes 123 Coupe und erfreuten zunächst durch ihre absolute Laufkultur (für einen Vierzylinder..), ihre bessere Wirtschaftlichkeit und Ihrer Motorleistung von jetzt 136 PS. Im Alter leiden diese Motoren jedoch gerne und eingelaufenen Nockenwellen und verschlissenen Zahnkränzen des Nockenwellenrades. Altersbedingt ist auch die Kopfdichtung ein heißer Kandidat für größeren Ärger. Die mechanische KA-Jetronic ist noch nicht zusätzlich elektronisch geregelt und somit eher problemfrei. Motortechnisch gilt für alle Benziner immer der kritische Blick auf das Kühlwasser. Bildet sich eine Ölfilm in der Kühlflüssigkeit, nebelt es auch bei warmer Maschine hell weiß aus dem Auspuff, dann ist das ein Indiz für eine defekte Zylinderkopfdichtung. Schwarzgrauer Rauch bei Schubbetrieb aus höheren Drehzahlen deuten auf Undichtigkeiten der Ventilschaftdichtungen hin. Ein schlechtes Warmstartverhalten ist bei den älteren Versionen der K- und KA-Jetronic nicht außergewöhnlich.
Der große Sechszylinder M110 Motor trägt seinen Beinamen Schellenbaum nicht ganz zu unrecht. Bei diesem Triebwerk braucht es ein geschultes Ohr um zwischen einem Tickern im Ventiltrieb oder einer rasselnden Steuerkette und dem, von dem hellhörigem Aluminium Kopf verursachten „Normalgeräuschen“ zu unterscheiden.
Es gibt ja bekanntlich Verfechter der handgeschalteten Mercedes 123 Coupe ’s, aber ein Mercedes Benz mit Benzinmotor ohne die butterweiche, sanftmütige Automatik ist wie Kaffee ohne Sahne, wie Erdbeeren ohne Vanilleeis und wie Pommes ohne Majo ! Das vierstufige Automatikgetriebe sollte bei Leerlaufdrehzahl und im kalten Zustand, beim Wechsel von der Parkstellung in den Rückwärtsgang keinen allzu kräftigen Ruck verursachen. Im warmen Zustand dürfte man keine Karosseriebewegung mehr wahrnehmen. Und dennoch sollte nach dem Kauf und dem obligatorischen Flüssigkeitswechsel, das Öl im Getriebe nicht vergessen werden. Aus der himbeerfarbenen Flüssigkeit wird im laufe der Jahre und der hunderttausenden Kilometern eine tief schwarze und stinken Brühe. Geht es um das Thema Spülung der alten Automaten, stehe ich dieser Maßnahme eher kritisch gegenüber. Lieber den Wechsel nach wenigen tausend Kilometern wiederholen und dabei auf die Farbe, den Geruch und die Konsistenz des Öls achten. ACHTUNG immer nur das zugelassene Öl von Mercedes Benz einfüllen !
Wie die Mercedes Benz Fahrzeuge die zwischen 1993/4 und etwa 2003 hergestellt wurden zeigen, ist Rost nicht nur ein Problem der alten Fahrzeuge. Vor zwanzig Jahren konnte man konstatieren, dass ein Mercedes 123 Coupe der ersten Bauserie rostanfälliger ist, als die Zweitauflage. Die Rostvorsorge wurde in Sindelfingen immer wieder währen der Bauzeit der W123eer verbessert und dennoch kann heute die o.g. Regel so im Grundsatz nicht mehr anwenden. Es gibt Erstserien Coupes ohne Fehl und Tadel, weil diese sehr wahrscheinlich in der Vergangenheit schon ein- bzw. mehrfach saniert wurden. Das ungeschweißte, nicht nachlackierte Fahrzeug aus den 70iger und frühen 80iger Jahren ist heute im Jahr 2017 so etwas wie die blaue Mauritius unter des Mercedes Youngtimern ! Für einen heutigen Interessenten stellt sich eigentlich nur die Frage, wie gut und wie authentisch wurden diese Karosserie- und Lackarbeiten ausgeführt.
Fazit
Die Bilder des besichtigten Mercedes 123 Coupe sollen nicht vom Kauf dieser Baureihe grundsätzlich abschrecken. Aber sie verdeutlichen sehr schön die gravierendsten Schwächen der Karosserie. Beeindruckend war mal wieder der Zustand des Interieurs ! Bei diesem Aussen Pui Innen hui Fahrzeug musste im Fahrgastraum kein Sattler irgendwo Hand anlegen. Der aufgerufene Preis von ca 200,00 € war jedoch schon eher sportlich ! Es zeigt sich, dass es immer sinnvoller ist beim Kauf mehr Geld anzulegen für das bessere Fahrzeug, als eine unabsehbare und damit wesentlich teurere Restauration zu starten. Viele weitere Informationen über alle Typen der Baureihe W123 bietet der W123 Club !